Das große Ladensterben in Italien: „Wir werden bald keine Geschäfte mehr haben“

Wegen Pleite geschlossen - dem Einzelhandel in Italien geht es schlecht.
Wegen Pleite geschlossen - dem Einzelhandel in Italien geht es schlecht.

Dramatische Zahlen: Drei Schließungen auf eine Neueröffnung

Italien erlebte 2024 das schlimmste Jahr für den Einzelhandel seit einem Jahrzehnt. Laut einer Analyse des Handelsverbands Confesercenti wurden zwischen Januar und Dezember 23.188 neue Handelsbetriebe eröffnet – gleichzeitig mussten jedoch 61.634 Geschäfte endgültig schließen. Das bedeutet: Auf jede Neueröffnung kamen fast drei Schließungen.

„Wenn sich dieser Trend nicht ändert, könnte es bis 2034 keine neuen Ladenöffnungen mehr geben“, warnt Confesercenti. Das wäre das Ende des kleinen Einzelhandels, wie wir ihn kennen.

Konsumflaute, Kreditmangel und Überalterung: Die Ursachen des Niedergangs

Italiens Gesellschaft altert schnell.
Italiens Gesellschaft altert schnell. Foto: Pixabay

Der Niedergang des italienischen Handels ist kein kurzfristiges Phänomen, sondern ein strukturelles Problem, das sich über Jahre verschärft hat. Drei Hauptfaktoren spielen eine zentrale Rolle:

  1. Rückgang des Konsums
    Die Kaufkraft der italienischen Haushalte ist durch Inflation, steigende Energiepreise und hohe Steuern gesunken. Viele Familien müssen sparen – und das trifft kleine Geschäfte besonders hart.

  2. Banken vergeben kaum noch Kredite
    Kleine Händler haben immer größere Schwierigkeiten, Finanzierungen zu bekommen. Ohne Kredite können sie nicht investieren, Modernisierungen bleiben aus, und die Konkurrenzfähigkeit sinkt.

  3. Die italienische Gesellschaft altert rapide
    Immer weniger junge Menschen übernehmen traditionelle Geschäfte, viele Stadtviertel und Dörfer verwaisen. Das führt dazu, dass kein Generationswechsel mehr stattfindet – was langfristig das Verschwinden vieler Läden besiegelt.

„Die Einkaufsstraßen veröden“ – Ein langsamer, aber unaufhaltsamer Prozess

Die Zahlen zeigen eine dramatische Entwicklung:

  • 2014 wurden 43.324 neue Geschäfte eröffnet – das waren damals 118 pro Tag.
  • 2024 sank diese Zahl auf 23.188 Neueröffnungen, nur noch 63 pro Tag – fast eine Halbierung in zehn Jahren.
  • Gleichzeitig steigen die Schließungen: 2024 gaben 169 Betriebe täglich auf – 30 mehr als noch 2020.

Die Verödung unserer Städte ist ein riesiges wirtschaftliches und soziales Problem“, erklärt Patrizia De Luise, Präsidentin von Confesercenti. „Bislang wurde fast nichts unternommen, um das Verschwinden der kleinen Läden zu stoppen.“

De Luise warnt, dass sich der Einzelhandel in den letzten Jahren stark verändert habe: „Wir stehen vor einer Situation, in der die gesamte Handelslandschaft von wenigen multinationalen Konzernen und Online-Plattformen kontrolliert wird. Das ist ein schwerer Schaden – auch für die Verbraucher.“

Besonders betroffen: Marken, Sizilien, Lazio, Sardinien und Umbrien

Zwar ist der Niedergang des Einzelhandels in ganz Italien sichtbar, aber einige Regionen sind besonders stark betroffen. Laut Confesercenti ist die Situation hier am schlimmsten:

  • Marken: 1 Neueröffnung auf 4 Schließungen. Wenn es so weitergeht, könnten hier schon 2031 keine neuen Geschäfte mehr eröffnen.
  • Sizilien: 1 Neueröffnung auf 3,8 Schließungen.
  • Lazio: 1 Neueröffnung auf 3,7 Schließungen.
  • Sardinien: 1 Neueröffnung auf 3,5 Schließungen.
  • Umbrien: 1 Neueröffnung auf 3,2 Schließungen.
Lidl ist in Italien erfolgreich. Es gibt mittlerweile 730 Filialen.
Lidl ist in Italien erfolgreich. Es gibt mittlerweile 730 Filialen. Foto: Lidl

Junge Unternehmer verschwinden – der Online-Handel boomt

Besonders dramatisch ist der Rückgang junger Geschäftsinhaber:

  • Seit 2014 sind in Italien über 153.000 Unternehmen geführt von unter 35-Jährigen verschwunden.
  • Allein im Einzelhandel haben 66.000 junge Geschäftsleute aufgegeben.

Gleichzeitig dominiert der Online-Handel immer stärker. Verbraucher kaufen lieber auf Plattformen wie Amazon, Zalando oder Alibaba, anstatt lokale Geschäfte zu unterstützen.

Fazit: Italien wird von Supermärkten und Online-Giganten übernommen

Während kleine Läden schließen, wachsen die großen Handelsketten unaufhaltsam. Discounter wie Lidl, Aldi, Esselunga oder Conad expandieren aggressiv, während traditionelle Bäckereien, Metzgereien, Modegeschäfte und Buchhandlungen aus den Städten verschwinden.

Experten warnen: Ohne konkrete Maßnahmen könnte Italien in den kommenden Jahren eine fast vollständige Monopolisierung des Handels erleben. Wer dann einkaufen möchte, wird nur noch zwischen riesigen Supermärkten und globalen Online-Riesen wählen können.

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