
In einer wegweisenden Entscheidung hat die Region Toskana als erste in Italien ein Gesetz verabschiedet, das den medizinisch assistierten Suizid regelt. Nach zweitägiger Debatte stimmte der Regionalrat mit 27 Ja-Stimmen bei 13 Gegenstimmen für das Gesetz.
Die Abstimmung im Detail
Die Toskana, traditionell von Mitte-Links-Parteien regiert, erlebte eine klare politische Trennung bei der Abstimmung. Die Mehrheit der Befürworter stammt aus dem sozialdemokratischen Lager, während die Opposition hauptsächlich von Mitte-Rechts-Parteien wie der Lega und Fratelli d’Italia gestellt wurde. Antonio Mazzeo, Präsident des Regionalparlaments, bezeichnete das Gesetz als „sehr zivilisiert“ und betonte: „Die Toskana steckt nicht einfach den Kopf in den Sand, sondern reagiert.“

Reaktionen der katholischen Kirche
Die katholische Kirche reagierte mit scharfer Kritik. Kardinal Augusto Paolo Lojudice, Vorsitzender der Toskanischen Bischofskonferenz, warnte: „Das ist wirklich eine Niederlage für alle.“ Er äußerte die Befürchtung, dass dieses Gesetz einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen könnte und betonte, die Kirche werde sich „unter keinen Umständen“ von ihrem Einsatz für das Leben abbringen lassen.
Historische Fälle und öffentliche Meinung
In Italien hat die Diskussion um Sterbehilfe in den letzten Jahren an Intensität gewonnen, insbesondere nach dem aufsehenerregenden Fall von Fabiano Antoniani, bekannt als DJ Fabo. Der 40-jährige Musikproduzent aus Mailand wurde 2014 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt, was ihn blind und querschnittsgelähmt zurückließ. Nach Jahren des Leidens entschied er sich 2017 für einen assistierten Suizid in der Schweiz. Vor seiner Abreise appellierte er in einer Videobotschaft an die italienische Politik: „Ich möchte ohne Leiden sterben. Aber in Italien kann ich es nicht alleine tun und brauche Hilfe.“
Sein Begleiter, der Sterbehilfeaktivist Marco Cappato, wurde nach der Rückkehr nach Italien wegen Beihilfe zum Suizid angeklagt. Der Fall führte zu einer intensiven öffentlichen Debatte und mündete 2019 in einem Urteil des italienischen Verfassungsgerichts, das assistierten Suizid unter bestimmten Bedingungen für straffrei erklärte. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor ebenfalls einen Freispruch gefordert. Nach dem Urteil erklärte Cappato: „Dies ist ein historischer Tag, weil die Entscheidung des Gerichts Artikel 2 der Verfassung vollständig widerspiegelt, der das Individuum und nicht den Staat in den Mittelpunkt des sozialen Lebens stellt.“

Nationale Perspektive
Italien verfügt bislang über keine nationale Regelung zur Sterbehilfe. 2019 entschied das Verfassungsgericht, dass unter bestimmten Umständen die Beihilfe zum Suizid straffrei sein kann, und forderte das Parlament auf, eine gesetzliche Regelung zu erarbeiten. Bislang blieb eine solche jedoch aus, was dazu führte, dass die Toskana nun eigenständig gehandelt hat.
Die Verabschiedung des Gesetzes in der Toskana könnte als Präzedenzfall für andere Regionen Italiens dienen und den Druck auf das nationale Parlament erhöhen, eine einheitliche Regelung zur Sterbehilfe zu schaffen. Es bleibt abzuwarten, wie die Regierung und andere Regionen auf diese Entwicklung reagieren werden.
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